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Gemeinnützigkeit für Freifunk

Pustekuchen!

Eigentlich ist es ja sonnenklar: Freifunk ist eine zivilgesellschaftliche Initiative, die der Allgemeinheit zugutekommt – also müssten Freifunk-Vereine doch gemeinnützig sein. Damit könnten dann Spenden an Freifunk-Vereine von der Steuer abgesetzt werden, und entsprechend könnten die Vereine mit höheren Spenden rechnen.

Doch leider stimmt das in der Rechtswirklichkeit bisher nicht. Der Anwendungserlass zur Abgabenordnung des Bundes (AEAO) schreibt vor:

“Internetvereine können wegen Förderung der Volksbildung als gemeinnützig anerkannt werden, sofern ihr Zweck nicht der Förderung der (privat betriebenen) Datenkommunikation durch Zurverfügungstellung von Zugängen zu Kommunikationsnetzwerken sowie durch den Aufbau, die Förderung und den Unterhalt entsprechender Netze zur privaten und geschäftlichen Nutzung durch die Mitglieder oder andere Personen dient.”
Deshalb sind zahlreiche Anträge verschiedener Freifunk-Vereine in Deutschland auf Anerkennung der Gemeinnützigkeit gescheitert. Auch der Göttinger Freifunk-Verein “Netze ohne Grenzen e.V”, den wir gegründet hatten, um die notwendige Infrastruktur für Freifunk (z.B. Server) zu finanzieren, hat deshalb keine Gemeinnützigkeit.

Doch Rettung naht!

Darüber kam unter Freifunkern im ganzen Land Unmut auf, den wir auch in die Politik getragen haben. Und dort bewegt sich etwas: die Landesregierungen von Nordrhein-Westfalen und Thüringen haben einen Gesetzantrag in den Bundesrat eingebracht (der WDR berichtete vorab). Die Abgabenordnung soll so geändert werden, dass explizit Gemeinnützigkeit festgeschrieben wird für

“die Einrichtung und Unterhaltung von Kommunikationsnetzwerken, die der Allgemeinheit ohne Gegenleistung offenstehen (Freifunk-Netze). Als Gegenleistung in diesem Sinne gilt insbesondere die Erlaubnis zur Verwendung oder Weitergabe der Nutzerdaten für gewerbliche Zwecke.“

Auch die Niedersächsische rot-grüne Regierungskoalition möchte diesen Antrag unterstützen (Pressemitteilung der Göttinger Landtagsabgeordneten Gabriele Andretta, das Göttinger Tageblatt berichtet kurz).

Wie wir dazu stehen

Wie man sich denken kann, unterstützen wir die Gesetzesinitiative vorbehaltlos. Da offensichtlich ist, dass Freifunk im besten Wortsinne gemeinnützig ist, hoffen wir auf eine Unterstützung durch alle demokratischen Parteien. Wir bedanken uns bei den beteiligten Personen und Parteien für die Unterstützung.

Wir freuen uns auch besonders, dass der Gesetzantrag dadurch datenschutzfreundlich ist, dass er ausdrücklich eine Gemeinnützigkeit für Netze mit gewerblicher Datennutzung verbietet.

Offener Brief zur Abschaffung der WLAN-Störerhaftung

Sehr geehrte netzpolitische Sprecher der Bundestagsfraktionen,
sehr geehrte Mitglieder des Bundestags,

wir, die Göttinger Freifunk-Initiative, haben die Bemühungen der Bundesregierung, das Telemediengesetz so zu novellieren, dass das Öffnen privater Netzzugänge nicht mehr durch die Störerhaftung bedroht wird, enthusiastisch aber kritisch begleitet. Continue reading Offener Brief zur Abschaffung der WLAN-Störerhaftung

Das Ende der Störerhaftung?

Gestern erreichte uns die Meldung, die Regierungskoalition habe sich darauf geeinigt, die Störerhaftung für offene WLANs endlich zu beseitigen. Was heißt das, und was bedeutet das für Freifunk?

Die Störerhaftung

Störerhaftung bedeutet hier, dass der Inhaber eines Internetanschlusses abgemahnt werden kann, falls Andere, denen er Zugang zum Netz verschafft hat, beispielsweise Urheberrechtsverletzungen begehen. Dahinter steht die Vorstellung, dass Zugang zum Internet grundsätzlich statt einer Chance zur Kommunikation als Risiko einer Rechtsverletzung zu bewerten wäre. Diese Rechtsauffassung Deutscher Gerichte ist weltweit einzigartig und hat dafür gesorgt, dass es in Deutschland ein Haftungsrisiko ist, als Privatperson ohne Absicherung, wie sie Freifunk bietet, ein offenes WLAN zu betreiben.
Die Folge war traurig für die Entwicklung eines solidarischen digitalen Gemeinwesens: die Anzahl offener WLANs blieb weit hinter denen anderer Industrienationen zurück. Ende 2014 gab es beispielsweise in Südkorea 20 mal so viele offene WLANs pro Einwohner wie in Deutschland, in Grossbritannien 15 mal so viele.

Das Providerprivileg

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Unser Netz heißt bald einfach “Freifunk”

Anfang August werden wir den Namen (genauer: die SSID) des WLANs, über das sich jeder mit dem Freifunk-Netz verbinden kann, von “goettingen.freifunk.net” in “Freifunk” ändern.

Was bedeutet das für die Nutzer?

Nach der Umstellung muss auf jedem Gerät, mit dem Freifunk genutzt werden soll, das WLAN mit der SSID “Freifunk” einmal eingetragen werden. Dafür können dann auch Freifunk-Netze in anderen Städten, die ihr Netz genau wie wir umbenannt haben, automatisch und ohne weitere Einrichtung benutzt werden.

Was bedeutet das für die Freifunk-Betreiber?

Freifunk-Router, auf denen automatische Updates aktiviert sind, werden Anfang August automatisch eine neue Firmware installieren, die mit den neuen Netzwerk-Namen (SSID) funkt – wer einen solchen Knoten betreibt, muss also gar nichts unternehmen.

Knotenbetreiber, die keine automatischen Updates aktiviert haben, bitten wir, manuell ein Update der Firmware aufzuspielen, damit das Netz einen einheitlichen Namen hat. Abgesehen davon wird ein Router aber auch ohne Update mit allen anderen Routern wie vorher zusammenarbeiten – netzintern ändert sich nichts.
Wir gehen davon aus, dass Knotenbetreiber ihre Nutzer im voraus über die Änderung informieren wollen – damit genug Zeit dafür ist, stellen wir die SSID erst Anfang August um. Continue reading Unser Netz heißt bald einfach “Freifunk”

“Wie könnt Ihr ein offenes Netz verantworten?”

Vor kurzem schrieb uns jemand, dass er an sich gerne bei uns mitmachen würde, aber Bedenken bestünden, damit eventuell böse Dinge zu unterstützen. (In der konkreten Anfrage ging es um “Kinderpornographie”, aber es lassen sich ja noch viele andere Dinge denken, die man gerne verhindern würde.) Außerdem wurden wir gefragt, wie wir eine solche Nutzung vermeiden. Da die Antwort recht ausführlich wurde, möchten wir sie Euch nicht vorenthalten.

Um ganz klar die Frage zu beantworten: wir vermeiden eine solche Nutzung nicht. Unser Ziel ist ein freies, anonymes unzensiertes Netz für jeden. Und “jeder” schließt leider auch Verbrecher ein. Wir sind aber überzeugt, dass wir der Gesellschaft mit einem offenen Netz insgesamt viel mehr nutzen, als ein Schaden entsteht.

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Fachanwältin zu Freifunk: “Abmahnungen faktisch ausgeschlossen”

Die einzige Göttinger Fachanwältin für Urheber- und Medienrecht Johanna Feuerhake hat sich auf ihrer Homepage über Freifunk und die rechtlichen Aspekte detailliert geäußert.

Dabei kommt sie zu dem Schluß: “Für den einzelnen Freifunkrouterbetreiber sind allerdings Abmahnungen faktisch ausgeschlossen, da der einzelne Freifunkrouter technisch nicht identifizierbar ist.” Wir freuen uns, dass sie unsere Einschätzung aus qualifizierter Perspektive teilt und bedanken uns für die Ausführungen.

Jura-Prof. Hoeren zum WLAN-Gesetzentwurf: “Eine Unverschämtheit”

Nicht nur von Freifunkern und Netzaktivisten, sondern auch aus der Rechtswissenschaft kommt harsche Kritik am neuen Gesetzentwurf zur WLAN-Störerhaftung der Bundesregierung. Dieser, so hört man, soll noch vor der CeBit im Eilverfahren – das heißt ohne die notwendige Diskussion und Sorgfalt – durchgepeitscht werden.

Wie wir kritisiert Jura-Professor Thomas Hoeren unter anderem, dass private Anschlussbetreiber vom geplanten Gesetz ausdrücklich schlechter gestellt werden als kommerzielle Anbieter,
weil das “Providerprivileg”, also die Nichthaftung von Zugangsanbietern, die auch für private Zugangsanbieter schon jetzt im Gesetz steht, ausgerechnet in dem Moment, in dem auch die Gerichte sie langsam entdecken, nun an die Einschränkung gebunden wird, dass die Namen der Nutzer bekannt sein müssen. Damit ist der Gesetzentwurf ein klarer Rückschritt gegenüber dem Status Quo.

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