Fachgespräch mit Thomas Oppermann (MdB) und Lars Klingbeil (MdB)

Foto: Gerd Aschoff
Foto: Gerd Aschoff

Am Freitag, 22.05.2015 hatten wir die Gelegenheit, mit den beiden Bundestagsabgeordneten Thomas Oppermann, Fraktionsvorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion und Lars Klingbeil, Netzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, ein Fachgespräch zum Thema offene WLANs zu führen. Auf Anfrage der Göttinger Freifunkinitiative kam dieses offenbar für beide Seiten interessante Gespräch zu stande.

Thomas Oppermann lobte in seiner Begrüßung auch das Engagement der Göttinger Freifunkinitiative in Sachen Versorgung der Göttinger Flüchtlingsunterkünfte mit WLAN.

Lars Klingbeil informierte das Publikum über den aktuellen Stand der geplanten Gesetzesänderungen zum Telemediengesetz. Die SPD sei erst ganz am Anfang und gucke sich derzeit an, an welchen Stellen nachgebessert werden muss.

Interessant sei, dass zum Gesetzesentwurf nicht nur Kritik von den “Nerds”, wie Chaos Computer Club und Freifunkern käme, sondern unter anderen auch vom Bundesverband Einzelhandel und dem Städte und Gemeindebund. Die Hauptkritikpunkte seien die Unterscheidung zwischen privaten und geschäftsmäßigen Anbietern, die Verschlüsselung und die Vorschaltseite.

Er glaubt für die geschäftsmäßigen Anbieter bringe der erste Entwurf tatsächlich eine Verbesserung. Passwort in die Menükarte drucken und fertig. Bei den Freifunkern seien sie alarmiert, weil diese sagen, es käme zu einer Verschlechterung ihres Status Quo. Für private Anbieter sei der Entwurf juristisch sehr schwierig. Zum Beispiel stellt sich die Frage, ob ein privater Anbieter, nachdem er jemanden in sein WLAN gelassen habe, das Passwort wieder ändern müsse.

In der Diskussion fragten wir als allererstes nach dem Einfluss der Vorratsdatenspeicherung. Lars Klingbeil sagte, dass im aktuellen Gesetzentwurf nicht wie bei der früheren Vorratsdatenspeicherung eine Mindestgröße von 10000 Kunden des Anbieters vorgesehen sei, so dass auch der Anbieter eines kleinen Hotspots, Vorratsdatenspeicherung betreiben müsste. Beide Politiker sind sich ziemlich sicher, dass es nicht dabei bleiben wird. Es wäre ja paradox, wenn Sigmar Gabriel offene WLANs vorantreibe und Heiko Maas mit seinem Gesetz das ganze dann konterkariert. Neben diesen Detailfragen zur Vorratsdatenspeicherung wurde aber auch die grundlegende Frage in den Raum gestellt, ob eine verdachtsunabhängige Speicherung von Daten über praktisch jeden mit dem behaupteten Nutzen für die Strafverfolgung zu rechtfertigen ist und ob sie überhaupt mit rechtsstaatlichen Prinzipien in Übereinstimmung gebracht werden kann. Seitens Herrn Oppermann wurde uns deshalb eine weitere lokale Veranstaltung und Gespräche zur Frage der Vorratsdatenspeicherung in Aussicht gestellt, auf die wir uns schon freuen.

Johanna Feuerhake, Fachanwältin für Medienrecht, wies daraufhin, dass der Gesetzentwurf weiterhin Rechtsunsicherheit beim WLAN Betreiber verursacht, weil weder die Begriffe “Einwilligung”, noch eine eventuelle Verbesserung durch den Begriff “Erklärung”, die Beweislast vom Betreiber nähme. Besser wäre es, die Beweislast umzukehren.

Wichtige Punkte der Diskussion, die wir ansprachen, waren folgende:

  • Die im Referentenentwurf zum  2. TMGÄndG §8 (4).1 geforderte Verschlüsselung (gemeint ist eigentlich: Zugangskontrolle) widerspricht grundsätzlich der Idee offener Netze – es gibt hier schlicht keine Unbefugten, die man ausschließen will. Zudem kann weder Verschlüsselung noch Authentifizierung überhaupt wirken, wenn die dafür benutzten Geheimnisse öffentlich sind – z.B. das WPA2-PSK-Passwort, das in der Speisekarte eines Restaurants abgedruckt ist.
  • Eine Vorschaltseite, wie im Referentenentwurf zum 2. TMGÄndG §8 (4).2 gefordert, auf der ein Benutzer die Selbstverständlichkeit der Einhaltung des Rechts erklären soll, ist nicht nur von äußerst zweifelhaftem Nutzen bei der Verhinderung von Rechtsverstößen, sondern schadet auch bzw. macht die Nutzung bestimmter Anwendungen sogar unmöglich.  Erklärung: Nutzer von anderen Diensten als Webseiten (z.B. E-Mail, Messenger, IP-Telefonie, Spiele, andere Apps mit Internetzugriff) werden durch die Sperrung, die vor einer Bestätigung erzwungen wird, vom Netzzugang abgeschnitten  ohne dass sie es unmittelbar bemerken, da die genutzten Anwendungen durch die Vorschaltseite einfach nicht funktionieren.  Damit stünden sie dann schlechter da als ganz ohne Internetzugang über WLAN.
  • Wir freuen uns darüber, dass laut Lars Klingbeil die grundsätzliche Schlechterstellung von privaten gegenüber geschäftlichen WLAN-Anbietern durch das 2. TMGÄndG §8 (5) im Konsens von der SPD-Bundestagsfraktion abgelehnt wird.

Unser Vorschlag ist es, diese drei Hindernisse für das Betreiben offener WLANs komplett zu streichen.
Vereinbart wurde, dass wir weiterhin im Kontakt bleiben wollen.

Nun werden wir auch versuchen, mit dem Koalitionspartner der SPD, der CDU, zum Thema Änderungen am Telemediengesetz/offene WLAN-Netze ins Gespräch zu kommen.

Außerdem würden wir uns freuen, mit anderen Parteien über die Chancen und Rahmenbedingungen für freies WLAN und offene Netze ins Gespräch zu kommen.

 

Arbeitspapier zu der Veranstaltung

Bericht auf der Seite des SPD-Unterbezirks Göttingen

4 thoughts on “Fachgespräch mit Thomas Oppermann (MdB) und Lars Klingbeil (MdB)”

  1. “Seitens Herrn Oppermann wurde uns deshalb eine weitere lokale Veranstaltung und Gespräche zur Frage der Vorratsdatenspeicherung in Aussicht gestellt” – wenn ihr einen Termin mitbekommt, wäre es toll wenn ihr diesen ankündigt (hier, auf twitter, und allen anderen Kanälen).

    Oppermann hat mir gegenüber VDS gerechtfertigt. Oder vielmehr: das Bundestags-Fraktionsbüro mit einem Formbrief geantwortet, in dem Maas’ Leitlinie als “klug und ausgewogen” bezeichnet wurde. Auf die TMK und Freifunk ist man gar nicht erst weiter eingegangen. Bei beidem will man erst den “parlamentarischen Prozess” abwarten, auf meine Anregung bei VDS die Fraktionsdisziplin aufzuheben wurde erst mal gar nicht reagiert.

    Der Neuland-Vertreter der SPD-Fraktion war noch krasser. Er hat wirklich einen Gabriel gepullt und mir geschrieben, VDS sei ja “etwas gutes” – damit hätte es die NSU-Morde nicht gegeben, und man hätte die Täter in Frankreich ohne VDS auch nicht so schnell ermittelt.

    Ich frage mich immer noch, ob er mich provozieren wollte.

  2. “Neben diesen Detailfragen zur Vorratsdatenspeicherung wurde aber auch die grundlegende Frage in den Raum gestellt, ob eine verdachtsunabhängige Speicherung von Daten über praktisch jeden mit dem behaupteten Nutzen für die Strafverfolgung zu rechtfertigen ist und ob sie überhaupt mit rechtsstaatlichen Prinzipien in Übereinstimmung gebracht werden kann.”

    Von wem – von euch oder von Klingbeil/Opperman? Wohl kaum von letzterem, oder?

    (Quasi-Pingback von Netzpolitik.org.)

    1. Erstaunlicherweise war es tatsächlich Thomas Oppermann, der, nachdem er kurz nach Beginn des Gesprächs auf das Problem angesprochen wurde, das die Vorratsdatenspeicherung für Freifunk ganz praktisch bedeutet, auch auf die grundsätzliche Frage kam, ob die Vorratsdatenspeicherung denn ein verhältnismäßiges Mittel sei. Er hat sich dazu allerdings nicht positioniert.
      Als das dann später von anderen Diskutanten aufgegriffen und verneint wurde, bekamen wir dann von Herrn Oppermann eine Verteidigung der VDS zu hören: schließlich würden ja auch Höchstspeicherfristen eingeführt, die ein Fortschritt im Datenschutz seien, und man müsse die Befürchtungen vor einem Überwachungsstaat differenziert sehen (da das nun eine Woche her ist, erinnere ich mich leider nicht an die Formulierungen). Lars Klingbeil schien hier eher skeptisch, positionierte sich aber auch nicht konkret. Es gibt aber eine Bundestagsrede von ihm, in der er die Gestaltung der VDS nach rechtsstaatlichen Prinzipien mit der Quadratur des Kreises vergleicht. Weitere Konsequenzen wie die Aufforderung, dieses bedenkliche Projekt endlich einzustellen, zieht er aber leider nicht daraus.

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