Die einzige Göttinger Fachanwältin für Urheber- und Medienrecht Johanna Feuerhake hat sich auf ihrer Homepage über Freifunk und die rechtlichen Aspekte detailliert geäußert.
Dabei kommt sie zu dem Schluß: “Für den einzelnen Freifunkrouterbetreiber sind allerdings Abmahnungen faktisch ausgeschlossen, da der einzelne Freifunkrouter technisch nicht identifizierbar ist.” Wir freuen uns, dass sie unsere Einschätzung aus qualifizierter Perspektive teilt und bedanken uns für die Ausführungen.
Möglicherweise irrt die Fachanwältin in dieser Einschätzung:
“Durch den Gesetzentwurf zu offenen W-LANs ändert sich beim Freifunk weiterhin nichts. ”
Glaubt man Netzpolitik.org, die widerum das BMWi zitieren, ist das Gegenteil der Fall. Zwar ist der Einzelrouter nicht für Abmahnwahnanwälte identifizierbar, aber dennoch macht man sich durch die Bereitstellung von _offenem_ wLan strafbar.
Zitat BMWi: “Wir gehen davon aus, dass Freifunker ihr WLAN in der Regel wiederholt und auf Dauer zur Verfügung stellen, also geschäftsmäßig tätig sind.”
(Quelle: https://netzpolitik.org/2015/nebelkerzen-per-faq-das-bmwi-redet-sich-seinen-gesetzentwurf-zur-stoererhaftung-schoen/)
Wie das nun juristisch zu bewerten ist würde ich mal gern en detail erklärt bekommen. Ich muss per Gesetz mein wlan dicht machen, aber wenn’s offen ist, bin ich als Einzelner wg. VPN-Tunnel (und Mesh) nicht ermittelbar (es sei denn über Zugriff auf den VPN-Anbieter).
Nach der FAQ des BMWi kann der Punkt, dass sich für die Freifunker nichts ändern würde wohl nicht mehr so stehen bleiben, oder? Das Ministerium geht von “Geschäftsmäßigkeit” aus.
Kann die RA mal jemand um einen Kommentar dazu bitten?
Verbietet der geplante neue § 8 TMG offenes W-LAN?
Nein, der alte und der neue § 8 TMG regeln Fragen der Haftung, also wann man auf Unterlassung in Anspruch (=Abmahnung) genommen werden kann, aufgrund von Rechtsverletzungen Dritter. Dies ist die berühmte Störerhaftung.
Der neue § 8 TMG verbietet nicht ein W-LAN offen zur Verfügung zu stellen. Er stellt dies auch nicht unter Strafe. Es geht um Haftung. Die Frage, wann man für Rechtsverletzungen Dritter haftet, ist etwas anderes als ein Verbot des offenen W-LANs.
Freifunkanbieter bekommen allerdings keine Abmahnungen für Rechtsverletzungen Dritter.
Der einzelne Freifunkanbieter wird nämlich nicht in Haftung genommen werden können, da durch die Umleitung über die VPN-Tunnel zu Servern z.B. im Ausland seine IP-Adresse nicht ermittelbar ist. Dies ist zudem auch legal.
Die Haftungsfrage ist daher nur ein theoretischer Fall, der im Freifunk nicht vorkommt: Wenn man als Freifunker eine solche theoretische Abmahnung bekäme, müsste man, um nicht als Störer (z.B. W-LAN-Betreiber) in die Haftung genommen werden zu können, sich bei Inkrafttreten des neuen § 8 TMG an diesen neuen § 8 TMG gehalten haben. Schlimmstenfalls also die Namen der Nutzer gekannt haben. Freifunk ist jedoch gerade die technische Sicherheitsvorkehrung, um nicht in Haftung genommen zu werden. Der VPN-Tunnel zur Umleitung ist dafür da.
Der neue TMG kann daher allenfalls vielleicht für den Serverbetreiber z.B. beim Verein freie Netzwerke problematisch sein, allerdings gäbe es auch hier noch gute Argumentationsmöglichkeiten. Ich weiß nicht, ob hier weitere VPN-Tunnel, Umleitungen ins Ausland oder andere Vorkehrungen geplant sind. Man wird sicher vorsorgen.
Für das einzelnen lokale Freifunknetzwerk, das per VPN umleitet, ändert sich m.E. nichts. Bereits heute wird die übertriebene Störerhaftung technisch ausgehebelt. Nichts anderes wird dann auch in Zukunft erfolgen.
Johanna Feuerhake
Fachanwältin für Urheber- und Medienrecht
Danke, Frau Feuerhake, für diese Einschätzung.
Nebenbemerkung: die “deutsche Internetwirtschaft” (read: der Branchenverband) ist ‘not amused’. Sie schreiben in ihrer Pressemitteilung:
[orrr, blockquote verschluckt. Nochmal, ohne blockquote:]
“Gleichzeitig hat eco aber auch immer davor gewarnt, durch unbedachte gesetzgeberischen Eingriffe, das sorgsam austarierte Haftungsgefüge des TMG und die dort enthaltenen Grundsätze aus dem Gleichgewicht zu bringen. Mit dem jetzt vorliegenden Gesetzesentwurf besteht jedoch genau diese Gefahr. Hier besteht erheblicher Nachbesserungsbedarf. ”
Für Johanna Feuerhake (u.A.) vielleicht interessant: laut eco e.V. liegt der Referentenentwurf im Konflikt mit EU-Recht.
Ich weiß ja nicht, wie einflussreich dieser Verein wirklich ist – aber da ist fast alles Mitglied, was genügend Nutzer hat, um Lobbypolitik zu machen. Telekom, Vodaphone, you name it.